Den Text habe ich für den Verband MDEV geschrieben, bitte nehmt es euch zu Herzen:)
In letzter Zeit sind mir vermehrt Empfehlungen zu verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln durch Mütterpflegerinnen und Hebammen aufgefallen. An dieser Stelle möchte ich zunächst einmal ein großes Lob aussprechen: Es ist ersichtlich, dass das Wohl der Familien und insbesondere der Mütter für euch an erster Stelle steht. Besonders der Ansatz, über eine gesunde Ernährung zur Genesung und Stärkung beizutragen, spiegelt den Kern der Mütterpflege wider.
Im Austausch mit Kolleginnen, die vor ihrer Hebammenausbildung ein Studium der Ökotrophologie absolviert haben, sind mir jedoch einige wichtige Aspekte bewusst geworden, die ich gerne im Sinne eines kollegialen Dialogs an euch Mütterpflegerinnen weitergeben möchte. Dieser Hinweis erfolgt ohne Vorwurf, denn auch ich selbst – wie viele von uns – habe mich bereits in Situationen wiedergefunden, in denen ich meine eigene Praxis kritisch hinterfragen musste.
Im Folgenden möchte ich einige zentrale Überlegungen und Empfehlungen zum Thema „Nahrungsergänzungsmittel in der Mütterpflege“ teilen, die hilfreich sein könnten:
Mangel an medizinischer Fachkenntnis: Mütterpflegerinnen sind in der Regel keine ausgebildeten Fachkräfte im Bereich der Ernährung oder Medizin. Sie haben nicht die notwendige Ausbildung, um fundierte Empfehlungen zu bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln abzugeben. Falsche oder ungenaue Empfehlungen könnten zu gesundheitlichen Problemen bei der Mutter oder dem Kind führen.
Individuelle Gesundheitsbedürfnisse und diagnostische Abklärung: Jeder Mensch hat individuelle gesundheitliche Bedürfnisse, die je nach Lebensphase, Gesundheitszustand und bestehenden Krankheiten unterschiedlich sind. Nahrungsergänzungsmittel können in manchen Fällen nützlich sein, müssen jedoch immer auf die individuellen Umstände und Bedürfnisse abgestimmt werden. Selbst Hebammen, die medizinisch ausgebildet sind, müssen vor einer Empfehlung den aktuellen Status der Versorgung mit Mikronährstoffen durch Blutentnahmen oder andere diagnostische Verfahren prüfen lassen. Ohne eine solche Abklärung ist es nicht möglich, gezielte Empfehlungen auszusprechen. Die Empfehlung bei einem Verdacht auf einen Mangel wäre daher immer eine interprofessionelle Zusammenarbeit mit Fachpersonal, das Diagnosen stellen und gezielt beraten darf, wie z.B Hebammen und Ärzte.
Risiken von Wechselwirkungen und Überdosierungen: Einige Nahrungsergänzungsmittel können Wechselwirkungen mit Medikamenten oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln verursachen. Auch können Überdosierungen gesundheitliche Probleme hervorrufen. Ohne fundiertes medizinisches Wissen besteht die Gefahr, dass Empfehlungen zu solchen Risiken führen.
Rechtliche Verantwortung: Das Empfehlen von Nahrungsergänzungsmitteln könnte für Mütterpflegerinnen rechtliche Konsequenzen haben, insbesondere wenn dadurch gesundheitliche Komplikationen entstehen. Sie überschreiten damit ihre Kompetenz und könnten haftbar gemacht werden.
Förderung von evidenzbasierter Beratung und interprofessioneller Zusammenarbeit: Es ist wichtig, dass Mütterpflegerinnen ihre Rolle als Unterstützerinnen im Haushalt und in der emotionalen Begleitung der Familie verstehen, sich darauf konzentrieren und dabei bewusst zu anderen Berufen abgrenzen. Eine enge Zusammenarbeit mit qualifiziertem Fachpersonal, das Diagnosen stellen darf, wie Hebammen und Ärzten, ist hierbei essenziell. Nur durch eine solche interprofessionelle Arbeit kann eine evidenzbasierte und sichere Beratung gewährleistet werden.
Eine Versorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln ist in vielen Fällen absolut wertvoll und angebracht, das WANN und das WIE ist nur eben eine sehr wichtige Frage.